Um halb acht ging es los: Der ganze Chor plappernd versammelt am Bahnsteig in Meidling. Noch vor einem Jahr war ich genauso ein Teil dieser bunten Gruppe gewesen und war nun gespannt, ob es anders sein würde, ’nur‘ als Begleiterin mit dabei zu sein …
Kaum zwei Stunden später hatten wir unser Ziel erreicht: das Seminarzentrum in Raach am Hochgebirge.
Schnell wurden die Zimmer bezogen – die Altersstufen bunt durchgemischt, versteht sich –, die Lernsachen in die dafür vorgesehenen Räume getragen und die Jogginghosen angezogen, die auf keinem Chorwochenende fehlen dürfen.
Dann was Neues: ein Workshop zum Thema “Obertöne singen und hören“.
“Normalerweise schauen mich die Leute so an, als wäre ich eine Hexe, wenn ich ihnen erzähle, dass ich Oberton-Sängerin bin.“ erzählt Julia, eine hübsche junge Frau, die den Chor in das Reich der Obertöne entführt. Beeindruckend, wie viele Töne man hören kann, wenn doch eigentlich nur ein starker Ton im Raum steht. Abwechselnd singt ein Teil des Chores und die anderen hören zu. Es macht Freude, zu beobachten, wie die Gesichter in heller Verzückung aufgehen, sobald jemand einen oder mehrere Obertöne hören kann. Ich selbst muss auch zugeben, dass sich der von Julia so genannten ‘Christmas-effect’ bei mir zeigte – ich fing vor Begeisterung an zu strahlen, sobald ich die Quint, die Oktav oder odere Obertöne hören konnte.
Nach mehr als einer Stunde – der Chor hat ‘nur’ einen Ton gesungen – waren die meisten bereits zum Strahlen gebracht worden. Julia beeindruckte uns mit einem kurzen Vorsingen – ein stark gesungener Grundton und darüber, wie ein Pfeifen, eine wunder schöne Melodie aus lauter Obertönen.
Am Nachmittag brachte Julia jedes einzelne Chormitglied ob jung oder alt zum einzel-Vorsingen. Durch das Singen verschiedener Vokale auf einem kräftig gesungenen Grundton konnte man teilweise die ganze Reihe der für diesen bestimmten Grundton möglichen Obertöne hören. Es war faszinierend zu beobachten, wie selbstbewusst jeder seinen Ton sang und wie beeindruckt der Rest lauschte.
Durch das Singen eines Dreiklanges entstand bei drei Mädchen sogar ein Unterton, den eine Männerstimme dann übernehmen konnte. Kurz:- es war ein nahezu außerirdisches Klangfarbenspiel.
Abends – Julia war bereits abgefahren – trafen wir uns dann mit dem Klassenchor der 7A des musischen Zweiges des RG Perchtoldsdorf: zuesrt sangen wir uns gegenseitig verschiedene Nummern aus unserem Repertoire vor. Und dann nahmen wir die Klasse samt Lehrerin in die Mitte und packten sie in einen Oberton-Sound ein …
Das restliche Chorwochenende verlief dann so wie immer: tolle Menschen, viel Gesang – und das nicht nur in den Proben –, viel Spaß. Wie immer gab es einen Nachtspaziergang und einen Spieleabend, die die lockere Stimmung und das vertraute Miteinander unterstützten. Natürlich vernahm ich aber auch in den nächsten Tagen immer wieder helle Stimmen, die ihre Obertöne trainierten und auch in den Proben wurde das neu erlangte Wissen zur verfeinerung des Klanges eingesetzt.
Sonntag abend gestaltete der Chor eine Messe in Pitten mit. Auch hier verließen sie die Obertöne nicht: am Ende des wunderschönen Stücks Laudate Dominum, bei dem ich jedes Mal eine Gänsehaut bekomme, hörte ich ganz deutlich Obertöne heraus. Einerseits war ich am Vortag dafür ‘erweckt’ worden und andererseits spricht das natürlich wieder einmal für die Perfektion von Chor und Chorleiter.
Viel zu schnell ging das Chorwochenende wieder vorbei. Auf dem Rückweg wurde im Zug geträllert und die letzten Stunden, bevor der normale Alltag wieder begann, zelebriert. Ich hatte die ‚Kleinen‘ liebgewonnen und die ‚Großen‘ noch besser kennengelernt. Als ich alle zum Abschied umarmte, erinnerte ich mich an den Gedanken, den ich hatte, als ich Samstag morgen zum Bahnsteig gekommen war: schon nach den ersten Minuten hatte ich mich genauso als Teil der Gruppe aufgenommen gefühlt, wie zu der Zeit als ich selbst noch ein aktives Chormitglied war.
Schön! Toll! Danke!
Text: Gela
Fotos: Vy An, Antonia, Vani